Die Inhalt-Frage
Die Wissenschaft hat herausgefunden, welche Grösse das Glas hat, wenn man ein Glas gezapftes Bier bestellt. Das Resultat ist im Atlas zur deutschen Alltagssprache dokumentiert.
«Ein Bier, bitte!» – drei Worte nur, und die Kellnerin weiss, was zu tun ist, der Kellner auch. Im Normalfall. Und Offenausschank vorausgesetzt. Was im Glas drin ist, ist von Gegend zu Gegend verschieden. Das Glas aber auch. Mit der gläsernen Diversität hat sich jüngst die Wissenschaft beschäftigt.
Hier das Resultat: In regionaler Hinsicht zeigt sich, dass in der Schweiz durchwegs ein 3-Deziliter Glas an den Platz kommt. Dass verschiedentlich auch 2,5-Deziliter-Stangen serviert werden, konnte in der Untersuchung nicht herausgefiltert werden. In Österreich (ausser Steiermark), Württemberg, Bayern und Sachsen sowie teilweise in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg bekommt man das Bier überwiegend in Gläsern, die einen halben Liter fassen. Zumindest in Bayern und Österreich bestellt man entsprechend «eine/a Halbe» – gemeint ist eine halbe Mass (= 1 Liter). Im Rheinland, mit Zentrum Köln, sowie in Ostbelgien ist die übliche Bierglasgrösse 2 Deziliter. Aus fast allen anderen Gebieten wird gemeldet, dass 3 Deziliter die ortsübliche Grösse für ein Bierglas sei. Nur aus wenigen Orten wird angegeben, dass die Bierglasgrösse unterschiedlich sei.
Der Masskrug ist selten
Die normale Grösse des Bierglases hängt meistens auch mit den üblichen Biersorten zusammen, die regional konsumiert werden. Im Rheinland etwa fällt das Verbreitungsgebiet der 2-Deziliter-Gläser ziemlich genau mit den Gebieten zusammen, in denen Kölsch und Alt als typische Biere gelten; die entsprechenden Gläser werden als «Kölschstange» bzw. «Alt(bier)becher» bezeichnet. Eine Übereinstimmung gibt es auch zwischen den Verbreitungsgebieten für Export, Märzen und Helles sowie der 5-Deziliter-Grösse; allerdings reicht das Gebiet dieser Halbliter-Gläser nach Norden wie nach Südosten hin auch deutlich in Regionen hinein, in denen eher Pils konsumiert wird. Anders also, als die alljährlichen Berichte über den – wieder einmal gestiegenen – Preis für die Mass Helles auf den Oktoberfesten vermuten lassen, wird ausserhalb solcher Feste selten eine ganze Mass bestellt. Pils hingegen scheint üblicherweise in 3-Deliliter-Gläsern serviert zu werden.
Die Glasgrössen sind jedoch nicht strikt: Man erhält im Rheinland auch Kölsch und Alt inzwischen auch in 3-Dezi-Gläsern. Und man kann heute auch in Bayern oder Österreich in vielen Lokalen auch ein «kleines Helles» bzw. «Seidel Helles» (3 Dezi) oder sogar einen «Pfiff» (die Hälfte des Seidels) bestellen, ohne sich einen belustigten Blick der Bedienung oder anderer Gäste einzuhandeln.
In Franken, dem Norden Bayerns, hält sich das «Seidla» aber tapfer. Darin sind 5 Deziliter vollmundiges leicht bernsteinfarbiges Bier.
Hartmuth Attenhofer