Frisch geschlaucht
Wenn vier gestandene GFB-Mitglieder fast acht Stunden lang mit Zug und Bus durch halb Deutschland fahren, muss das einen sehr triftigen Grund haben. Bier natürlich, klar. Und was sonst? Weiterlesen.
Die Reise von vier unentwegten GFB-Mitgliedern führte im heissen August ins Städtchen Sesslach bei Coburg in Oberfranken, Bayern, Deutschland. Dort gibt es noch eine der seltenen Kommunbrauereien. In der schönen guten alten Zeit waren das von den Gemeinden eingerichtete kleine Brauereien, in denen man nach eigenem Rezept sein eigenes Bier brauen konnte. Meistens taten sich ein paar Einwohner zusammen und brauten ihr spezielles Bier. Das Jungbier wurde dann heimgebracht und im hauseigenen kühlen Keller gereift.
Herbeigeströmt
Im Kommunbrauhaus in der Sesslacher Altstadt läuft das nicht mehr ganz so archaisch, dafür europaweit wohl einzigartig. Die Stadt Sesslach (knapp 4000 Einwohner) hat nämlich einen Gemeindemitarbeiter als Braumeister eingesetzt. Der braut alle vier Wochen ein Kommunbräu und dazu saisonale Spezialitäten. Jeden vierten Samstag wird das Jungbier ausgegeben. Der Liter für 1.15 Euro (!). Das Volk strömt dann herbei mit Fässern, Kanistern und Karaffen, die vom Braumeister «geschlaucht» werden, wie es in der Brauer-Fachsprache heisst. Gemeint ist das Umfüllen des Jungbiers von der Würzpfanne in den Gär- beziehungsweise Lagertank mittels eines grosskalibrigen Schlauchs. Im Falle von Sesslachs Kommunbrauhaus wird mit dem imposanten Schlauch das Jungbier aber nicht in einen Tank geschlaucht, sondern in die mitgebrachten Kanister und Fässchen gefüllt, die zwischen acht und 60 Liter fassen. Manche Bewohner kommen mit einer ganzen Batterie von Behältnissen. Sesslach ist auf weiter Fläche auf Sandstein gebaut, in den man schon vor Jahrhunderten tiefe Keller trieb, die ganzjährig angenehm kühl sind. Von jedem Sud der Kommunbrauerei gehen 60 Prozent an die Selbstabholer, der Rest wird in der lokalen Gastronomie konsumiert.
Bierstau
Die enge Zufahrt zur Kommunbrauerei ist während des monatlichen Ausschanks mit einem Fahrverbot belegt, das folgende Ausnahme zeigt: «Zufahrt nur frei für Bierabholer». Schon kurz vor acht Uhr morgens stauen sich drei, vier Autos in der Gasse. Die vorderste Fahrerin hat schon einmal den Kofferraum geöffnet und stellt ihre vier Bidons unter das Hochparterre-Fenster der Brauerei. Pünktlich um acht Uhr öffnet Braumeister Michael Lengfelder das Fenster und reicht den Schlauch hinaus. Mit dem markanten Schlauchgriff lässt sich jetzt Gefäss für Gefäss exakt abfüllen, ohne etwas von dem wertvollen Stoff zu verschütten. Bidon zuschrauben, verladen, bezahlen und abfahren – so geht das bis um elf Uhr.
Hinten anstellen
Auch wir vier GFB-Mitglieder reihten uns in die Wartekolonne ein. Ohne Bidon, aber mit einer Zwei-Liter-Flasche, die wir dem Braumeister hinstreckten. Der stutzte einen Moment, wandte sich an die anderen Umstehenden und rief nach dem Trichter. Der war schnell gefunden, sodass unser «Flaschenbier» mittels ganz vorsichtig geöffnetem Schlauchgriff in die hingehaltene Flasche floss. Der Braumeister bekam 2.50 Euro statt der geforderten 2.30 Euro, denn er hatte ja alle Hände voll zu tun, sodass er die 20 Cent Herausgeld nirgendwo hätte hervorkramen können. Wir vier GFB-Mitglieder, das sind Gründungspräsident Hans Meier, alt Generalsekretär Hartmuth Attenhofer, alt Mitgliederaktuar Bruno Bürgisser und Fredi Keller, stellten uns vor dem Kommunbrauhaus auf und prosteten uns zu. Die umstehenden Sesslacherinnen und Sesslacher freute der Anblick und es kam zu vertieftem Gedankenaustausch. Das Jungbier war noch wirklich jung, also ein bisschen süsslich, überhaupt nicht stürmisch und dafür etwas blumig gehopft. Aber schön eiskalt. Es rann lieblich durch unsere Kehlen und freute uns sehr. Anschliessend kosteten wir dann natürlich auch noch ein ausgereiftes Kommunbräu im benachbarten Biergarten zum Roten Ochsen.
Weitere Informationen zum Sesslacher Kommunbrauhaus gibt es hier.
Text: Hartmuth Attenhofer
Bilder: Fredi Keller, Bruno Bürgisser, Hartmuth Attenhofer