Gary, Hanf und Wädi

Anno 1992, im Februar, las ich, dass Ende Monat in Wädenswil die vor zwei Jahren geschlossene Brauerei Wädenswil mit neuem Namen wiedereröffnet würde. Und dazu mit angegliedertem Restaurant. Die GFB war damals erst im Gründungsstadium, aber mit dem designierten Präsidenten Hans Meier und mir, seinem Generalsekretär, schon munter unterwegs. Wir zwei beschlossen drum spontan, zur Eröffnung hinzufahren. Wir wollten zu den ersten gehören, die der offiziellen Auferstehung dieser Traditionsbrauerei beiwohnen. Wir stürzten uns zwar nicht grad in Gala, aber ein frisches Hemd und saubere Schuhe waren es dann doch. Und so standen wir denn wie geheissen Ende Februar, konkret am 28. Februar, vor den Toren des «Wädi-Brauhuus». Die Tür zum Restaurant war aber zu, dahinter dunkel und kein Mensch zu sehen. Wir drückten uns die Nase an der Scheibe platt, klopften an die Tür und kratzten uns am Kopf. Da kam endlich einer an und öffnete verwundert die Tür. Es war Gary Wuschech, den wir von der Brauerei Hürlimann kannten, wo er lange als Verkaufsdirektor geamtet hatte. Wuschech lachte uns aus und sagte, die Eröffnung wäre erst Ende Februar, und das sei morgen, heuer sei drum ein Schaltjahr. Hans und ich hatten uns also geirrt, aber wir waren immerhin die allerersten Gäste, denn Wuschech zapfte uns natürlich ein Wädi.

Das Wädi-Brau-Huus startete wie eine Rakete. Der Name war ja bereits eingeführt durch die altehrwürdige Brauerei Wädenswil, die aber 1990 untergegangen war. Es kam nun zu mannigfaltigen Pilgerfahrten aller möglichen Vereine und Gesellschaften – alle wollten die Wiedergeburt des Traditionsbiers erleben und auskosten. 1996 lancierte Wädi das Hanfbier. Es schlug ein wie eine Atombombe. Die ganze Schweiz, nein die ganze Welt berichtete über diesen Clou! Hanf-Bier! Das gab es bislang noch nirgends! Die Nachfrage lief derart aus dem Ruder, dass Wädi sich nach einer befreundeten Brauerei umsehen musste, damit man die in die Tausenden gehenden Hektoliter brauen konnte; Müller Baden sprang in die Lücke und braute das Wädi-Hanf in Lizenz. Doch diese Hanf-Blüte währte nicht sehr lange. Die Nachfrage verebbte mit den Jahren und fristet seither auch bei anderen Brauereien, die sich darin versuchen, ein Mauerblümchendasein. 

Nachdem der Hanf-Bier-Boom verklungen war, wirtschaftete das Wädi Brau-Huus wieder wie alle anderen Brauereien im Land. Es ging auf und ab. Die Bierlandschaft wurde rauer. Allerorten entstanden Klein- und Mikrobrauereien, die eine wachsende Zahl von Bierfreunden und Bierfreundinnen mit Exklusivitäten und Bierseminaren bedienen konnten – und können. Der von der GFB seinerzeit ausgelöste Trend zur Biervielfalt entfaltete seine ganze Pracht. Der Biermarkt wurde mehr und mehr diversifiziert, das kleine Wädi-Brau-Huus wurde plötzlich als gross wahrgenommen, und musste, wie viele ähnlich gelagerte Brauereien auch härtere Bandagen zulegen. Das ginge ja alles noch. Aber dann kam Covid-19 und der allgemeine Rückgang des Pro-Kopf-Verbrauchs von Bier, was mancher Brauerei schwer zu schaffen macht. Dem Wädi-Brau-Huus kamen jüngst noch spezielle Personalkosten und hohe Energiepreise in die Quere. Am 16. Dezember kam das Aus. Wädi gab auf. Wir wollen es in guter Erinnerung behalten. 

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Hartmuth Attenhofer
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